Jacob Holmström

Vom Sternelokal zur Feuerstelle

10 Fragen an Jacob Holmström

Vom Sternelokal zur Feuerstelle

Ein Gespräch über Neuanfänge, das Kochen über offenem Feuer, schwedische Identität und die Wiederentdeckung einer Region.

Interview vom: 06.06.2025
Gourmet Magazin: Jacob Holmström, nach zehn Jahren im gefeierten Gastrologik in Stockholm hast du alles hinter dir gelassen und in Tylösand das Fyr eröffnet. Was hat dich zu diesem Schritt bewegt?
Jacob Holmström: Die Pandemie 2020 war ein Bruch. Plötzlich standen wir still, hatten Zeit nachzudenken. Ich wurde Vater, das hat meine Sicht auf vieles verändert. Mein Partner Anton Bjuhr und ich haben uns zusammengesetzt und uns gefragt: Wollen wir Gastrologik wirklich noch zehn weitere Jahre führen? Wir hatten klein angefangen, mit nur fünf Tischen, am Ende waren es 25. Das bedeutete volle Verantwortung – jeden Tag. Aber mit Kindern ändern sich die Prioritäten. Schule, Alltag, Familie. Ich war in Elternzeit, und meine Frau Emile und ich wussten: Wir wollen etwas Neues schaffen, gemeinsam. Als wir dieses Haus hier fanden, direkt am Meer, war es wie eine Antwort auf all diese Fragen.
Gourmet Magazin: Und wie bist du auf genau diesen Ort gekommen??
Jacob Holmström: Ich bin in der Region aufgewachsen. Das Gebäude war früher ein typisches Sommerlokal - laut, viele Partys. Als die alten Betreiber aufhörten, wurde es mir angeboten. Zuerst habe ich abgelehnt. Ich konnte mir nicht vorstellen, an so einem Ort ein Restaurant zu führen. Aber dann stand ich auf der Terrasse, schaute über das Wasser, und plötzlich war da dieses Gefühl: Das ist ein magischer Ort. Hier könnte etwas Besonderes entstehen.
Gourmet Magazin: Wie hat sich dein Lebensstil durch den Ortswechsel verändert?
Jacob Holmström: Früher mussten wir bei Gastrologik jeden Tag da sein. Es war ein intensiver Betrieb. Jetzt ist das Leben strukturierter, auch familienfreundlicher. Kinder wollen zur Schule, brauchen Routine – das war ein wichtiger Faktor. Wir wollten nicht nur anders arbeiten, sondern auch anders leben.
Gourmet Magazin: Wie hat sich dein Lebensstil durch den Ortswechsel verändert?
Jacob Holmström: Früher mussten wir bei Gastrologik jeden Tag da sein. Es war ein intensiver Betrieb. Jetzt ist das Leben strukturierter, auch familienfreundlicher. Kinder wollen zur Schule, brauchen Routine – das war ein wichtiger Faktor. Wir wollten nicht nur anders arbeiten, sondern auch anders leben.
Gourmet Magazin: Was unterscheidet Fyr kulinarisch von deinem früheren Schaffen in Stockholm?
Jacob Holmström: Ganz wesentlich ist das offene Feuer. Jeder Koch träumt davon, einmal über echtem Feuer zu kochen – nicht nur wegen der Aromen, sondern auch wegen des Gefühls. Es ist archaisch, direkt, ehrlich. Ich grille Fisch über Flammen, arbeite viel mit Reifung, mit Haut, mit Rauch. Das ist handwerklich anspruchsvoll, aber es gibt Geschmack, den du anders nicht bekommst. Der Name "Fyr" spielt mit zwei Bedeutungen: Feuer und Leuchtturm – das Elementare und das Wegweisende. Genau das wollen wir verkörpern.
Gourmet Magazin: Was bedeutet dir die Region Halland als kulinarischer Standort?
Jacob Holmström: Sehr viel. Halland ist reich an landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Die Fischerei hat hier Tradition, es gibt fantastisches Gemüse, Kartoffeln, Kohl, Rettich – alles direkt aus der Umgebung. Ich arbeite mit denselben Bauern über Monate hinweg. Sie bringen mir, was gerade wächst. Ich bestelle nicht – ich lasse mich überraschen. Das führt zu Qualität, Nähe und Vertrauen. Und: Die Pandemie hat viele Schweden dazu gebracht, ihr eigenes Land neu zu entdecken. Ich war einer davon. Ich habe gelernt, diese Landschaft, diese Produkte, diese Mentalität neu wertzuschätzen.
Jacob Holmströms Fyr
Gourmet Magazin: Welche Rolle spielt die Nähe zur Landwirtschaft für dein tägliches Kochen?
Jacob Holmström: Eine sehr große. Es ist ein Vorteil, dass ich in direktem Austausch mit den Produzenten stehe. Ich sage meinem Gemüsebauer nicht, was ich brauche – ich nehme, was er mir anbietet. Das stärkt die Beziehung und führt zu besseren Produkten. Diese Art zu arbeiten ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch inspirierender.
Gourmet Magazin: Ist der Umzug aufs Land Teil eines größeren Trends unter Spitzenköchen?
Jacob Holmström: Vielleicht. Wir sind hier strategisch gut gelegen. Von Kopenhagen ist es mit dem Zug nicht weit. Und ich glaube, es gibt diese Sehnsucht nach dem Land. Es ist natürlich auch praktisch, nah an der Landwirtschaft zu sein, um wirklich frische Produkte zu bekommen. Dazu passt auch, dass die Idee des Landgasthofs gerade ein Comeback feiert.
Gourmet Magazin: Deine Küche ist stark mit der Region verbunden – wie verlief dein Weg dorthin?
Jacob Holmström: Mein Vater war Koch, ich bin im Restaurant groß geworden – im wahrsten Sinne: Als kleines Kind bin ich unterm Tisch eingeschlafen und Zuhause wieder aufgewacht. Aber ich wollte mich beweisen, dazu musste ich raus. Erst nach Göteborg, dann nach Oslo ins Bagatelle, später nach Paris. Ich wollte lernen, wachsen, scheitern. Meine Leidenschaft für die Küche kam nicht automatisch. Sie wuchs mit dem Abstand zur Heimat. Und vielleicht musste ich so weit weggehen, um heute genau hier ankommen zu können.
Gourmet Magazin: Du sagst, ein Michelin-Stern könnte „alles kaputt machen“. Was meinst du damit?
Jacob Holmström: Ich respektiere den Guide Michelin sehr, aber in Schweden bedeutet ein Stern oft eine enorme Formalisierung. Es entstehen Erwartungen, Standards, ein Druck, dem man sich kaum entziehen kann. Das kann Energie nehmen, statt sie zu geben. Ich will etwas anderes. Ich will kochen, weil ich es liebe – nicht, um eine Auszeichnung zu verteidigen. Ich will Gastgeber sein, nicht Trophäensammler.
Gourmet Magazin: Gibt es Gerichte aus deiner Kindheit, die du heute neu interpretierst?
Jacob Holmström: Ganz klar. Früher mochte ich vor allem Fleischbällchen. Mein Vater ging auf den Fischmarkt, ich konnte mit frischem Fisch nichts anfangen. Heute ist das anders. Ich habe gelernt, das Meer zu respektieren. Es bietet uns immer noch viel, aber wir müssen sensibler damit umgehen.
Ein gutes Beispiel ein Kindheitsgericht, das ich heute mag, ist das Dessert "Kalvdans": Ein traditioneller Pudding aus Biestmilch – das ist die erste Milch einer Kuh nach dem Kalben. Sie ist besonders eiweißreich und dickflüssig. Bei leichter Erhitzung stockt sie zu einer weichen, fast flanartigen Konsistenz. Ich habe das alte Rezept etwas modernisiert, mische Joghurt und Rhabarber darunter – das bringt Leichtigkeit und Frische. Kalvdans ist heute fast verschwunden. Viele kennen es nur noch aus Kindheitserzählungen oder von Festen auf dem Land.

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Austern a la Jacob HolmströmGenussmoment in SchwedenDas Beste zum Schluss

Veröffentlicht von GOURMETmagazin

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