Zerklüftete Buchten, traumhaft lange Sandstrände, verträumte Dörfer, eine große Menge an historischen Gebäuden, eine wunderschöne Landschaft und über dreihundert Tage Sonne - all das bietet die türkische Ägäis. Der Südwesten der Türkei ist vom Tourismus noch weitgehend unentdeckt und hat seinen ursprünglichen Reiz wohl auch deshalb erhalten können. In dieser Region, nahe der Ägäisküste, liegen auch die wichtigsten Weinanbaugebiete. Begünstigt durch das Klima, das aufgrund der Nähe zum Meer ungleich feuchter ist als im Landesinneren, und wegen der idealen Bodenbeschaffenheit wachsen die Trauben besonders gut - mit 34 Rebsorten werden hier etwa zwei Drittel der türkischen Weine produziert. Doch obwohl der Weinanbau in der Türkei bis weit in die Antike auf eine große Tradition zurückblicken kann und seit Mitte der neunziger Jahre fast regelmäßig international ausgezeichnet wird, spielt er in der Wahrnehmung vieler Weinliebhaber und Konsumenten eine eher untergeordnete Rolle. Völlig zu Unrecht, wie ich bei meiner Visite zweier Weingüter feststellen durfte.


Edle Tropfen auf der Halbinsel
Mein erster Besuch führte mich auf die Halbinsel Gallipoli, dort war ich zu Gast bei der Winzerei SUVLA. Der Name ist nach einer Bucht an der ägäisch-nördlichen Küste benannt, dort, wo sich die bekannten Reben Bozokbag befinden. Das junge und aufstrebende Familienunternehmen besteht seit 2003 und exportiert seine guten Tropfen seit 2012 nun sogar bis nach China. Es ist im Besitz von gut 1.000 Hektar Anbaugebiet, von dem allerdings nur knapp die Hälfte für den Weinanbau genutzt wird. Die übrige Fläche wird für den Anbau von Äpfeln, Pflaumen, Sesam und Weizen verwendet. Hier wird sehr viel Wert auf organischen Anbau gelegt und auch die spätere Herstellung kommt weitestgehend ohne chemische Zusätze aus. Nach meinem Besuch in den Weinfeldern, einer sehr kurzweiligen Besichtigungstour durch den Betrieb und natürlich einem ausgiebigen Essen mit türkischen Köstlichkeiten war es nun an der Zeit, verschiedene Produkte der Weinkellerei zu verkosten. Angeboten wurden verschiedene Weine aller Segmente, die meisten überzeugen durch ihr fruchtiges Aroma und ihre weiche, samtige Tanninstruktur. Das überrascht schon, denn die meisten namhaften türkischen Weine waren bisher eher für ihr deutliches Muskataroma bekannt, ferner handelte es sich oft um trockene bzw. halbtrockene Dessertweine.


Aber das hat sich schon lange gewandelt, mittlerweile bedienen Weinkellereien wie SUVLA eine ganze Palette guter Tropfen. Besonders hervorzuheben sind hier sicherlich die Weine Suvla Rose Sauvignon - Merlot 2013 sowie der Blend Suvla Sur 2010. Der erstgenannte Wein entsteht aus 47% Cabernet- sowie 21% Merlot-Trauben. Er überzeugt mit Aromen von Himbeere, Erdbeere und Sommerblumen und hat einen weichen, langen Abgang. Völlig verdient hat er in diesem Jahr die Silbermedaille Le Mondial de Rose gewonnen und sich dort gegen viele Konkurrenzweine namhafter Weingüter durchgesetzt. Der Suvla Sur 2010 besticht durch sein kräftiges Aroma aus Heidelbeere, Pflaume und Schokolade. Er wird für zwölf Monate in neuen Eichenfässern ausgebaut und war im vergangenen Jahr mehrfacher Gewinner diverser Wettbewerbe, unter anderem bei den Masters of Wine sowie der Decanter World Wine Awards. „Sur" bedeutet übrigens so viel wie Mauer und deutet auf den teilweise hohen Alkoholgehalt hin, der sich oft im Bereich 14-14,5 % befindet. SUVLA wird Ende des Jahres auch nach Deutschland exportieren und plant, einen Shop in München zu eröffnen. Vielleicht kann der ganz Durstige dort dann auch die 6-Liter-Flasche erwerben, die ebenfalls zum Sortiment dieses sympathischen Familienunternehmens gehört.

Die Schätze von Bozcaada
Die zweite Weinkellerei besuchte ich auf der traumhaften Insel Bozcaada. Das nur neun Kilometer lange Eiland wurde schon von Homer verehrt und ist seit Jahrhunderten für vorzüglichen Wein bekannt. Hier, mitten zwischen verträumten Häusergassen mit ihrem typisch türkischen Charme, befindet sich die kleine, eher unscheinbare Weinkellerei Camlibag. Dort hatte ich Gelegenheit, mich mit dem Besitzer Hasim Yunatci über seinen täglichen Geschäftsalltag und den türkischen Wein auszutauschen. Auch hier schwört man auf organischen Anbau sowie Ernte per Hand und bringt hervorragende Weine auf den Markt. Die unmittelbare Nähe der Weinfelder zur Kellerei macht es möglich, die Trauben unbehandelt zu transportieren und dieses geschieht ganz gemütlich per Traktor. Das Oberhaupt des seit vier Generationen bestehenden Familienunternehmens erklärt mir, warum gerade hier der Wein so gut ist. Es liegt vorrangig an dem Klima, dem Boden und dem Wind, der auch im August noch sehr stark weht und naturgemäß die meisten Schädlinge fernhält. Auf den Weinfeldern wird hier in der Regel auf Bewässerung verzichtet, denn das würde zur Folge haben, dass die Wurzeln zu tief ins Erdreich dringen und deshalb die Traube an Geschmack verliert.

Der natürliche Niederschlag von 400-500 Liter jährlich reicht vollkommen aus. Beim Anbau der Reben gehen die türkischen Winzer nach dem altgriechischen Goble-Pflanzsystem vor, bei dem sichergestellt wird, dass sich die Pflanzen gegenseitig Schatten spenden können. Ferner wird beim Anbau sehr genau darauf geachtet, dass die Rebenreihen einen Abstand von 130 cm haben. Ach hier habe ich diverse Weine verköstigt und war sehr überrascht und begeistert von dem frisch-sonnigen Aroma. Der Weißwein Kuntra 2012 gefällt wegen seines leichten Aromas und hat eine Note von Citrus, Honig und Pfirsich. Der namensgleiche Rotwein hat ein eher schweres Aroma und wird aus der Traube Kuntura gewonnen, die bereits stolze sechzig Jahre alt ist. Mein persönlicher Favorit unter all den sehr guten Weinen ist der Merlot 2012, der durch sein tiefes Aroma bedingt durch Brombeere und Schokolade überzeugt. Auf meinem Heimweg gab mir Herr Yunakti noch eines seiner Erfolgsgeheimnisse mit auf den Weg, welches so einfach wie einleuchtend ist:
„ Auf richtigem Boden die richtige Traube auf die richtige Art anbauen!"
Vielleicht ist es genau diese Maxime, die den türkischen Wein so erfolgreich und schmackhaft macht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der Wein aus der Türkei auch über seine Landesgrenzen hinaus durchsetzen wird, denn eines ist klar – Qualität hat immer Recht.


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Veröffentlicht von GOURMETmagazin
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